Goldstücke am Höchstberg

 

In Laubach wohnte eine Arme Korbmacherfamilie. Kaum das nötigste hatte sie an Speis und Trank und an Kleidern nannten die Korbmachersleute nur das ihr Eigen, was ihnen mitleidige Menschen gaben. Für die neun Kinderchen brachte der Vater kaum das Brot bei. Hätte nicht ein Ziege für schmackhafte Milch gesorgt, so wäre das Elend noch größer gewesen. Und doch wohnten Gottesfurcht und Gottesliebe mit ihnen unter dem bescheidenen Dache. In Geduld trugen alle ihr hartes Los.

Der älteste Sohn Hubert war 13 Jahre alt. Er sollte mit seinem Schwesterchen Maria im nahen Walde Futter für die Ziege rupfen. Die Mutter blieb mit den kleineren Geschwistern zu Hause, denn sie hatte viel zu stopfen und zu flicken. Hubert schwang sich einen Sack auf den Rücken, während Maria die Sichel trug. Ein munteres Liedchen pfeifend, schritt er rüstig voraus, an der "Schwarzelei" vorbei, zu dem großen Walde auf dem Höchstberge. Schnell hatten beide ihren Sack vollgestopft mit saftigen Kräutern. Maria band die vier Enden ihrer Schürze zusammen und füllte auch diese. Nun wollten sie Erdbeeren suchen. Dabei kamen sie fast bis zum Gipfel des Berges.

Wie erschrak sie, als hier unerwartet zwei schwarzgekleidete Frauen in Nonnentracht auf sie zukam. Ernst und traurig schauten sie drein. Zwischen sich trugen sie einen großen Waschkorb mit Kleesamen, bis oben hin gefüllt. Hubert überwand die Furcht. Er ging zu den Nonnen und fragte sie, warum sie so traurig seien. Da stellten sie den Korb hin und sagten, ein Bann habe sie für einen kleinen Fehler im Erdenleben hier festgehalten. Nun aber seien sie erlöst, denn der Fluch sollte weichen, wenn sie auf ihrer Wanderung zu bestimmter Stunde von unschuldigen Kindern angeredet würden. Im Augenblick waren sie verschwunden.

Die bestürzten Kinder aber sahen den zurückgelassenen Korb. "Ei", denkt Hubert, "den kann Mutter gut gebrauchen, den haben die Schwestern für mich stehen lassen." Er faßte ihn an, doch er konnte ihn keinen Zoll von der Stelle rücken. Neugierig griff er hinein. Da stieß er auf harte, runde Dinge, zog sie heraus und siehe, es waren lauter Goldstücke. Der ganze Korb war damit gefüllt. Da war seine Freude groß. Seine Schwester schickte er heim zur Mutter. Er selbst wollte bei dem Korb bleiben, bis der Vater ihn heim hole.

Nun hatte alle Not der Korbmachersleute ein Ende. Die Mutter dankte Gott auf den Knien. Er hatte ihr stilles Gebet erhört und alles Elend von ihnen genommen. "Gott verläßt seine Treuen nicht", so sagte sie noch oft zu den Kindern.

 

 

 

( Quelle: Aloys Fröhlich, Am Sagenborn der Heimat , Heft 1 von 1955, Bearbeitet von Dieter Laux)