Revolution in Müllenbach 1848

 

 

Rolf Peters

 

Die Vorgeschichte:

 

Die Arbeit in den nahe gelegenen Schiefergruben als Schieferbrecher war für viele Einwohner von Müllenbach die einzige Erwerbsmöglichkeit. Der Ackerbau und die Viehzucht waren unbedeutend. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter in den Schiefergruben bei Müllenbach und Laubach stieg von 150/16o Mann (1840) auf rund 250 Arbeiter (1845). Trotz dieses Höchststandes der Grubenbelegschaft wurde 1845 noch über Arbeitermangel geklagt.

 

Der Verkaufspreis für Dachschiefer stieg von 1840 bis 1845 stark an. Während man 1840 ein Reis Rohschiefer erster Qualität für 1,5 Thaler verkaufte, stieg der Preis bis 1845 auf 2,5 Thaler an. Dabei wurden in den Gruben im Jahre 1840 insgesamt 7.910 Reis ( 18.340 Meter) Rohschiefer gewonnen. Die Produktion stieg 1845 schon auf 15.830 Reis ( 36.880 Meter ) Schiefer an.

 

Nach den Berichten der Bergbehörden und der Kreisbehörden haben jedoch nur die Händler und Grubenbesitzer daran gut verdient.

 

Ab 1848 änderte sich die Situation: Die Stapelplätze der Händler waren nun mit unverkauftem Schiefer belegt. Bis Ende 1847 sank daher die Belegschaft der Gruben bei Müllenbach und Laubach auf 147 Mann ab.

 

Im Winter 1847/48 kam der Grubenbetrieb fast vollständig zum erliegen. Nur noch 14 Arbeiter fuhren auf insgesamt vier Gruben ein, hauptsächlich um nötige Wartungsarbeiten durchzuführen. Damit verloren mehr als 100 Arbeiter aus Müllenbach, Laubach und den Orten der Umgebung ihre Arbeit als Schieferbrecher.

 

Die Lage der Arbeiter hatte sich bereits ab 1842 durch eine schwere Missernte und die dadurch verursachte Teuerung und Lebensmittelknappheit verschlechtert. Die Brandkatastrophe in Müllenbach am 19 März 1843 führte zu großen Gebäudeschäden und schweren Verlusten an Nahrungsvorräten und verschlimmerte die Gesamtsituation. Auch die folgenden Jahre brachten keine Verbesserungen. In den Schiefergruben kam es 1846 zu sieben schweren, überwiegend tödlichen Unfällen. Sie waren sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die entkräfteten Schieferbrecher den harten körperlichen Anforderungen nicht mehr gewachsen waren. Außerdem wurden in den Gruben häufig nicht die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

 

Mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (Straßenbau der Bezirksstraße Koblenz – Trier) versuchte man im Jahre 1848, den arbeitslosen Schieferbrechern vorübergehende Erwerbsmöglichkeiten zu bieten.

 

Während in der Kreisstadt Cochem die Revolutionsereignisse 1848 zu Volksversammlungen und gewaltsamen Ausschreitungen führten, hatte die Bevölkerung in Müllenbach ganz andere Sorgen.

 

Das Abenteuer eines Gerichtsvollziehers und seine Folgen

Bereits im März 1848 erlebte der Gerichtsvollzieher Hartrath in Müllenbach und Laubach die Auswirkungen der wirtschaftlichen Not. Landrat Schönberger meldete an die königl. Regierung in Koblenz: ”in dem sich leicht die Scene wie in Müllenbach und Laubach wiederholen könnte, wo man den exequirenden Gerichtsvollzieher Hartrath von hier, mittels eines Steinregens zu eiliger Flucht mit seinem Pferd genöthigt hat.” Der verstorbene Chronist Ton Fröhlich aus Kaisersesch beschreibt die Ereignisse anschaulich: ”Der Gerichtsvollzieher Steinthal verrichtete am 25. Oktober 1848 in Müllenbach seine Funktionen. Er hatte hier verschiedene Pfändungen durchzuführen, wobei er sich offenbar nicht so benahm, wie es sich auch in damaliger Zeit für einen Beamten geziemte. Kein Wunder, dass er sich dadurch den Groll verschiedener Müllenbacher zuzog, zumal die politische Hochspannung jener Tage die Gemüter ohnehin leicht erregbar machte und die Müllenbacher sich von jeher nicht leicht ins Bockshorn jagen ließen.

Als der Gerichtsvollzieher in einem Hause die Türe verschlossen fand und diese gewaltsam zu öffnen versuchte , verständigten Nachbarn eiligst den Hausbesitzer. Diesen packte der Groll ob des rigorosen Benehmens staatlicher Vollzugsgewalt. Aber es fehlte ihm anscheinend die Courage, allein gegen den Vollstrecker des Staatswillens vorzugehen. So verschaffte er sich denn eine alte Trommel , zog damit durch die Straßen und forderte die Müllenbacher auf, gemeinsam mit ihm den unerwünschten Gast aus dem Dorfe zu entfernen. Gar bald waren handfeste Männer zusammen und man begab sich gemeinsam in das Wirtshaus des Peter Steffes-enn, wo der Gerichtsvollzieher Steinthal soeben eine Zusammenstellung der von ihm zwangsweise beigetriebenen Gelder anfertigte.

Hier wurde ihm klipp und klar das Ultimatum gestellt, gutwillig das Dorf zu verlassen, wenn er nicht mit Gewalt vertrieben werden wolle. Der Gerichtsvollzieher machte eine betrübte Miene, sah sich aber der bestimmten Haltung der Müllenbacher gegenüber nicht gewachsen. Er bestieg bald darauf sein preußisches Dienstpferd, gab ihm die Sporen und suchte das Weite. Man konnte nicht umhin, dem in seiner Ehre gekränkten Manne noch einige faule Äpfel, Rüben und sonstige Feldfrüchte nachzuwerfen, bis das Bild des Reiters in der Ferne verschwand. Damit, so glaubte man, sei die Sache abgetan. Beinahe wäre die Affäre in Vergessenheit geraten, hätte man nicht das Revolutionsjahr 1848 geschrieben. Dienstbeflissen erstattete der Gerichtsvollzieher seinem königlichen Oberprokurator Bericht, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er zu seiner persönlichen Verteidigung die Haltung der Müllenbacher zu deren Ungunsten darstellte.”

 

Die Reaktion der preußischen Behörden

In einem Bericht des Regierungsvizepräsidenten v. Massenbach aus Koblenz an InnenministerFrh. v. Manteuffel in Berlin vom 26. November 1848 heißt es zum Kreis Cochem: ”In dem Dorfe “Mühlenbach” desselben Kreises, wo man vor einiger Zeit einen Gerichtsvollzieher in der Ausübung seiner Funktion gestört und vertrieben hatte, waren seitdem zwei Gendarmen stationiert, welche jetzt gleichfalls durch Volksmassen genötigt worden sind, ihren Stationsort zu verlassen. Es ist die gerichtliche Untersuchung dieserhalb sogleich eingeleitet.” Weiter lautet der Bericht: ”Zur Sicherung der Ordnung sind zwei Kompanien des 28. Infanterie- Regimentes in den Kreis gesendet worden.”

Am 28. November 1848 rückten die Kompanien in Cochem ein. Am 30. November 1848 besetzten dann zwei Kompanien des 28. Infanterie-Regimentes, bestehend aus 280 Mann , sieben Offizieren und drei Pferden unter dem Kommando des Mayors von Pannewitz das Dorf Müllenbach und quartierten sich dort ein. Die Soldaten sollten bei Bedarf auch in der Kreisstadt Cochem eingreifen, um revolutionäre Bestrebungen zu bekämpfen.

Die Vertreibung des Gerichtsvollziehers und der beiden Gendarmen wurde mit den politischen Geschehnissen des Revolutionsjahres in Verbindung gebracht und ausgerechnet von Müllenbach her witterte man Gefahr für den Bestand der Monarchie!

Der damals amtierende Bürgermeister Zilliken aus Kaisersesch musste alles aufbieten, um der Königlichen Regierung in Koblenz die Harmlosigkeit der Vorkommnisse, die zu der militärischen Besetzung geführt hatten, zu beweisen. Sonst hätte der Müllenbacher Ausnahmezustand noch recht lange angehalten. Weitere Repressalien und Mehrkosten wären verursacht worden.

Die verarmte Dorfbevölkerung mit 750 Einwohnern musste die Lasten der Einquartierung für vier Wochen tragen. Man kann daher mitfühlen, dass alle erleichtert aufatmeten, als die ”Preußen” endlich abrückten.Am 3. Februar 1849 meldete der Cochemer Landrat an die Königl. Regierung in Koblenz: ”Die beiden Kompanien des 28. Infanterie- Regimentes, welche zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung als mobile Colonne in den hiesigen Kreis commandirt waren, haben denselben am 29. Dezember verlassen und das Lob ausgezeichnet guter Haltung mitgenommen.

Nachdem durch die Gegenwart der Truppen in den unruhigsten Gemeinden des Kreises dem Gesetze Ansehen verschafft, mehrere Verhaftungen vorgenommen und die Gerichtsbehörden sich zur Untersuchung von Vergehen und Verbrechen an Ort und Stelle verfügt hatten, hat der Kreis seine Ordnung zurückkehren sehen. Den Eindruck den diese Maßregel hervorgebracht, war offenbar von der besten Wirkung.”

Doch die Menschen wehrten sich noch im Untergrund. Landrat Schönberger berichtet über ”ein Dienstschreiben des Landraths-Amtes, welches ein Express an den Mayor v. Pannewitz zu Uelmen bringen sollte.” Angeblich wurde das Schreiben an den Kommandanten des 28. Infanterie-Regimentes durch den Boten unterschlagen. Dieser gab jedoch an, ”er sei dieses Briefes durch Auflaurer auf`m Wege im Walde beraubt worden.” Man kann daher mitfühlen, dass die ganze Bevölkerung erleichtert aufatmete, als die ”Preußen” abrückten.